Im Sommer 2023 haben sich wegen der Häufung der Fälle von Leistungsverlust bei Fluggeräten mit Rotax 912-Motoren verschiedene Behörden und Institutionen des Themas angenommen. Beteiligt waren u. a. das LBA, die EASA und das schweizerische BAZL. Die Ursachen der zugrunde liegenden technischen Probleme sind noch nicht alle geklärt. Deswegen sind viele Vereine und Piloten immer noch beunruhigt. In vielen der bekannt gewordenen Fälle war es häufig nur Glück, dass nicht mehr passiert ist. Daher ist in den vergangenen zwölf Monaten der Unmut vieler Halter, Betreiber und Piloten gewachsen.
Erwartungen an Hersteller, Behörden und Verbände
Der Ruf an die Behörden und Verbände nach Unterstützung bei der Lösung der Probleme wurde lauter. In den Vereinen gibt es entsprechende Erwartungen an diese sowie die Hersteller, denn es geht um die Flugsicherheit. Diese Erwartungen gestalten sich nach Kenntnissen des Bundesausschuss Technik des DAeC (BAT) vor allem wie folgt.
Hersteller:
Von ihnen wird eine effektive, schnelle und konsequente Lösung der Probleme erwartet. Aus der Analyse auftretender Fälle sollen wirksame Maßnahmen erarbeitet werden. Dies können Technischen Mitteilungen, Service Bulletins oder Airworthiness Directives (AD), also Lufttüchtigkeitsanweisungen (LTA), sein. Unter „Herstellern“ werden dabei sowohl die Zellenhersteller als auch der Motorhersteller verstanden.
Behörden:
Sie spielen eine zentrale Rolle zur Verpflichtung der Hersteller zur Problemlösung. Dazu müssen sie von den Fällen erfahren. Hierzu gibt es verschiedene Wege: Herstellermeldungen, die Analyse von Unfällen oder entsprechende Fallauswertungen. Eine weitere Möglichkeit ist die Meldung von Vorfällen durch die Luftfahrzeughalter direkt bei der EASA, dem Luftfahrt-Bundesamt (LBA), dem Luftsportgeräte-Büro des DAeC (LSG-B) oder dem Deutschen Ultraleichtflugverband (DULV).
Für die effektive Arbeit bestehen bei den Behörden aber gewisse Einschränkungen, die sich aus der jeweiligen Zuständigkeit ergeben: Während die EASA europaweit für Zulassung und Sicherheit von Luftfahrzeugmustern zuständig ist, leitet das LBA lediglich nationale Informationen weiter. Dies führt immer wieder zu Verzögerungen oder gar Missverständnissen.
Verbände:
Deren Aufgabe ist die Vertretung der Interessen ihrer Mitglieder gegenüber dem LBA, der EASA, den zuständigen Behörden und den Herstellern. Einige Vereine haben sich mit der Bitte an die Verbände gewandt, sie bei der Lösung der Probleme im Individualfall, vor allem aber auch übergeordnet zu vertreten. Denn nicht selten zeigten sich verschiedene Hersteller bei der Bearbeitung aufgetretener Schäden leider nur wenig kooperativ. Des Weiteren wird von den Verbänden auch eine gewisse Mitwirkung bei der Maßnahmenfindung erwartet, auch wenn das über die eigentliche Aufgabe der Interessenvertretung hinausgeht. Denn einige Verbände haben einen eigenen LTB oder eine CAO. Mit deren technischer Expertise soll die Lösungsfindung beschleunigt werden.
Bisherige Aktivitäten in Verbänden und Vereinen
Im Spätherbst 2023 hat sich der Luftsportverband Rheinland-Pfalz (LSVRP) des Themas bereits angenommen. Im Winter und Frühling 2024 wurden erste Analysen und Handlungsempfehlungen publiziert sowie zwei Online-Seminare für Piloten und Fluglehrer in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg veranstaltet. Die etwa 100 Teilnehmer erhielten dabei Handlungsempfehlungen, wie sich das Risiko des Auftretens von Leistungsverlust durch entsprechende Bedienung verringern lässt. Im Frühjahr wurden mehrere reale Fälle von Leistungsverlust in Rheinland-Pfalz und Bayern vor Ort an den Fluggeräten untersucht.
Dabei war es teilweise zu massiven Beschädigungen der Triebwerke gekommen. Daraus entstand eine über 50-seitige Abhandlung des LSVRP mit der Beschreibung der Fälle, potenzieller Ursachen und Handlungsempfehlungen für Piloten, Wartungspersonal und Zellenhersteller.
Die Fälle haben nahegelegt, dass diese Personenkreise und Parteien wesentlich zur Vermeidung des Problems beitragen können. Diese Abhandlung wurde an Verbände, Vereine und das LBA weitergegeben.
In Ergänzung dazu hat der LSVRP die Arbeit mehrerer Einzelpersonen und Vereine, die sich mit Problemen an den Kraftstoffsystemen verschiedener UL beschäftigt und ihre Ergebnisse dem Verband zugeschickt haben, ausgewertet. In diesen detaillierten Berichten zeigten sich schlüssig untersuchte technische Probleme und zielorientiert formulierte Handlungsempfehlungen für verschiedene Zellenhersteller hinsichtlich der Kraftstoffsysteme einzelner Muster.
Damit konfrontiert, zeigten sich aber nicht alle Hersteller gegenüber diesen Vereinen und Personen kooperationsbereit. Etwas Ähnliches konnte hinsichtlich der Empfehlungen aus der Abhandlung des LSVRP festgestellt werden.
Des Weiteren hat der Badisch-Pfälzische Flugsportverein BPFV im Frühsommer 2024 umfangreiche Untersuchungen angestellt und dabei herausgefunden, dass das Soft-Start-Modul des Rotax-Motors eine potenzielle Ursache für das Auftreten von Leistungsverlust sein kann. Diese Untersuchungen wurden in einem detaillierten Bericht dargestellt und den Verbänden, dem LBA sowie verschiedenen Herstellern zur Verfügung gestellt. Auf Basis dessen hat ein Zellenhersteller bereits eine AD herausgegeben.
Die Arbeit des BPFV hat die frühe Einschätzung des LSVRP bestätigt, dass dem Phänomen des Leistungsverlustes viele Ursachen zugrunde liegen und es daher die ersehnte „eine Lösung“ des Problems nicht gibt. Es muss an verschiedenen Stellen gearbeitet werden, um der Problematik Herr zu werden. Damit aber Verbände, Hersteller und Behörden entsprechend agieren und unterstützen können, ist die Meldung auftretender Fälle von Leistungsverlust und deren möglichst genaue Beschreibung durch die Piloten, Halter und Vereine unerlässlich. Hier ist definitiv die sprichwörtliche Mitwirkung aller gefragt.
Arbeitsgruppe des Bundesausschusses Technik
Im Frühsommer 2024 hat sich im Zuge der Publikation der oben genannten Berichte eine Gruppe mehrerer Verbands- und Behördenvertreter zur Gründung einer interdisziplinären Task Force zusammengeschlossen. Daraus hat sich eine Arbeitsgruppe des BAT entwickelt, die sich aus Mitgliedern von BAT und DAeC zusammensetzt.
Hauptziel dieser Gruppe ist das Sammeln und Analysieren von Daten bestehender Vorfälle sowie die nachfolgende Ableitungen konkreter Maßnahmen zur Problemlösung. Hierzu hat die Gruppe im Juli 2024 über die Vereine eine bundesweite Abfrage zu Fällen von Leistungsverlust getätigt. Diese lieferte nur ein durchwachsenes Ergebnis. Von mehreren Hundert angeschriebenen Vereinen meldeten sich nur etwa 130 zurück. Dabei stellte sich heraus, dass etwa 30 Betreiber mit Rotax-Problemen zu kämpfen haben, davon waren wiederum rund 50 Prozent der Fälle gar nicht beim LBA gemeldet worden.
Eine weitere Verteilung der Umfrage durch das LSG-B resultierte in bislang etwa 700 Rückmeldungen. Diese Umfrage ergab, dass bei zehn Prozent der Rückmeldenden tatsächlich Probleme mit Rotax-Motoren aufgetreten waren. Von diesen Vorfällen wurde aber nur weniger als ein Viertel offiziell gemeldet.
Damit die Lösungsfindung schneller voranschreiten kann, muss die Datenlage verbessert werden. Dies ist ein weiteres Ziel der Arbeitsgruppe. Bei künftigen Abfragen ist seitens der Vereine bzw. Halter eine höhere Beteiligung als die bislang erreichten 20 Prozent erstrebenswert. Ursachen für die verhaltene Beteiligung der Sommerabfrage wurden sowohl in der bestehenden Urlaubszeit als auch in einer gewissen „Müdigkeit“ der Beteiligten gesehen: „Schon wieder eine Abfrage!“ Doch es hilft nichts: Nur mit der Mitwirkung möglichst vieler können Lösungen gefunden werden, auch wenn das anstrengend sein mag.
Die Datenlage ist auch bei den offiziellen Stellen noch verbesserungswürdig. Als eine wesentliche Ursache des gedämpften Meldeverhaltens werden die etwas komplizierten Meldesysteme vermutet. Die Portale von LBA und EASA sind nicht auf die Bedürfnisse der Kleinluftfahrt zugeschnitten. Die Arbeitsgruppe hat vor, mit dem LBA diesbezügliche Prozessvereinfachungen zu erarbeiten und so die Meldebereitschaft zu erhöhen.
Eine weitere wesentliche Ursache ist die mutmaßliche Angst der Halter, dass ihr Flugzeug nach einer Meldung stillgelegt werden könnte oder dass durch eine folgende AD hohe Kosten entstehen könnten. Dies ist ein Dilemma: Einerseits wird von den Behörden erwartet, dass sie aktiv werden, andererseits erhalten sie oft keine Meldungen. Im Grunde genommen ist aber jeder Halter zur Meldung sicherheitsrelevanter Störungen verpflichtet.
Nächste Schritte der Arbeitsgruppe
Auch wenn in einzeln veröffentlichten Berichten und Artikeln schon gemutmaßt wurde, dass jetzt vielleicht endlich „die Lösung“ für das Problem des Leistungsverlustes gefunden wurde, so zeigen die bisherigen Erfahrungen und Analysen, dass es sich um ein komplexes Problem handelt. Das bedeutet, dass es mehrere verschiedene Ursachen hat, und dessen Lösung verschiedener Handlungen und Maßnahmen an mehreren Stellen und durch unterschiedliche Personenkreise bedarf. Dementsprechend werden die nächsten Schritte der Arbeitsgruppe auch in verschiedene Richtungen gehen. Geplant ist zunächst Folgendes:
1. Auswertung der Daten
Die gesammelten Daten werden analysiert und nach potentiellen Fehlerkategorien geordnet. Ziel ist, den jeweiligen Adressaten weitere Handlungsempfehlungen zu geben: Piloten, Fluglehrern, Wartungspersonal und Herstellern.
2. Zusammenarbeit mit den Herstellern
Das DAeC-Präsidium wird die Hersteller über den Ansatz der Arbeitsgruppe mit dem Ziel einer Kooperation informieren. Des Weiteren sollen die Hersteller zu einer konstruktiveren Lösung realer Vorfälle betroffener Fluggeräte oder Triebwerke bewegt werden, sofern dies nötig sein sollte.
3. Zusammenarbeit mit den Behörden
Mit dem LBA wird eine konstruktivere Zusammenarbeit angestrebt, die lösungs- und nicht problemorientiert ist. Verbände können in kurzer Zeit Tausende von Luftsportlern erreichen, was sich Behörden zu Nutze machen sollten. Ziel ist ein verstärkter Informationsfluss in beide Richtungen.
4. Regelmäßiger Informationsaustausch
Die Arbeitsgruppe wird regelmäßig über Zwischenschritte und Ergebnisse informieren, um möglichst viele Luftsportlerinnen und Luftsportler auf dem Laufenden zu halten. Die Gruppe ist für ihre Arbeit auf entsprechenden Input angewiesen, weshalb ein Informationsaustausch in beide Richtungen nötig ist.
Ausblick
Technische Probleme wird es immer wieder geben, nicht nur mit Rotax-Aggregaten. Die aktuelle Häufung der Fälle und die Möglichkeiten der digitalen Welt sorgen dafür, dass möglichst viele Personen zur Lösung des Problems beitragen können. So liegt es nicht nur am Wartungspersonal, die Ursachen zu entdecken. Auch Piloten, Fluglehrer und nicht zuletzt die Hersteller können und müssen dazu beitragen.
Text: DAeC, Bundesausschuss Technik
Update
Die Firma BRP-Rotax hat als Antwort auf die Störungsmeldungen der letzten Zeit ein Service-Bulletin (SB-912-079) herausgegeben, welches speziell für die 100 PS-Motoren 912 S und ULS gilt.
Die darin aufgelisteten Maßnahmen zu Betrieb, Wartung und Einbauanforderungen decken sich weitgehend mit den Erkenntnissen, welche die Arbeitsgruppe „Rotax“ des Bundesausschusses Technik im DAeC (BAT) aus der im September durchgeführten Online-Umfrage extrahiert hat.
Der Bundesausschuss Technik plant, die in der Umfrage aufgefallenen Hersteller von Luftfahrzeugen anzuschreiben und um eine Stellungnahme zu bitten. Des Weiteren sollen einige Themen zu Betrieb und Wartung im aktuellen Winter zu Online-Seminaren aufbereitet werden.
Hinweisen möchte der BAT noch darauf, dass die Kraftstoffe Super (ROZ 95) und UL91 (ROZ 96) nur bedingt für diese Motoren geeignet sind. Unter 5500 1/min können diese bei Vollgas zum Klopfen und damit zu Schäden am Motor führen (siehe Bild unter Punkt 3.4.1 des aktuellen Betriebshandbuches).
Das SB setzt eine sehr kurze Frist von zehn Betriebsstunden. Da es sich aber nicht um eine AD handelt, erlischt die Lufttüchtigkeit nicht, wenn die Zeit überschritten wird. Trotzdem sind die Halter und Techniker gut beraten, wenn sie in dieser Zeit die im SB aufgeführten Themen mit ihren Piloten und den Warten besprechen und dies auch dokumentieren.
Die deutsche Übersetzung des Service-Bulletins sowie die englische Originalfassung gibt es nachfolgend zum Download:
Mittlerweile gibt es jeweils eine Revisions-Version bei der deutschen Übersetzung des Service-Bulletins sowie bei der englischen Originalfassung. Hier gibt es ebenfalls beide nachfolgend zum Download:
Außerdem informiert das LBA auf seiner Homepage ausführlich über das Problem.