Kirchheim/Teck - Landesverkehrsminister Winfried Hermann hat am Samstag, 8. Juni 2024, das erste Elektro-Motorflugzeug des Baden-Württembergischen Luftfahrtverbandes (BWLV) getauft. Anlass war ein „Tag des Luftsports“ auf dem Flugplatz Hahnweide. Gleichzeitig feierten die Hellmut Niethammer Stiftung und der SBW-Förderverein ihr 30-jähriges Jubiläum.
Der BWLV als Pächter und Betreiber des Sonderlandeplatzes Hahnweide, die Hellmut Niethammer Stiftung sowie der Förderverein Strecken- und Wettbewerbssegelflug in Baden-Württemberg (SBW) waren Ausrichter der Veranstaltung, die Niethammer Stiftung übernahm die Kosten hierfür.
Rund 250 geladene Besucher waren bei bestem Wetter auf die Hahnweide gekommen, um gemeinsam zu feiern. Neben dem Verkehrsminister waren Ehrengäste aus Politik, Wirtschaft und Behörden vor Ort – darunter MdL Andreas Schwarz, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Landtag, Kirchheims OB Dr. Pascal Bader und Ministerialrätin Kirsa Küllenberg, Leiterin des Luftfahrtreferates im Verkehrsministerium Baden-Württemberg.
Auch DAeC-Präsident Claus Cordes sowie die Vize-Präsidenten Dr. Ralf Hubo und Rudi Baucke gehörten zu den Gratulanten und vertraten den Luftsport auf nationaler Ebene. Darüber hinaus fanden zahlreiche Luftsportlerinnen und Luftsportler aus vielen BWLV-Vereinen den Weg auf die Hahnweide – natürlich auch per Anflug aus der Luft.
Schlüsselübergabe per Fallschirmsprung
Zum Auftakt der Veranstaltung sprang Fallschirm-Weltmeister Klaus Renz über dem Sonderlandeplatz ab und überbrachte symbolisch einen Schlüssel für die Elektro-Velis. Renz wurde mit großem Applaus begrüßt.
Neues Flugzeug für die BWLV-Motorflugschule
BWLV-Präsident Eberhard Laur stellte in seiner Ansprache zunächst den „Täufling“ vor: Bei dem neuen Elektro-Motorflugzeug handelt es sich um eine Velis Electro, ein zweisitziges Elektroflugzeug des slowenischen Herstellers Pipistrel. Sie erhielt 2020 als erstes und bislang einziges Motorflugzeug mit rein elektrischem Antriebssystem eine Typzulassung von der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (EASA).
Das Flugzeug wird künftig an der BWLV-Motorflugschule Hahnweide eingesetzt und wurde mit Mitteln der Hellmut Niethammer Stiftung angeschafft. Das Flugzeug trägt den Taufnamen „Dr. Michael Bojadiew“: Der 2020 verstorbene Neffe des Stiftungsgründers Hellmut Niethammer hatte der Stiftung nach seinem Tod durch sein Erbe unter anderem den Kauf des Flugzeugs ermöglicht.
Laur betonte, dass es ohne die großzügige Förderung der Hellmut Niethammer Stiftung nicht möglich gewesen wäre, das Flugzeug zu beschaffen. „Ohne die wertvolle Unterstützung der Niethammer Stiftung wäre der Luftsport in Baden-Württemberg und im BWLV heute längst nicht so gut aufgestellt“, resümierte Laur. Ebenso lobte er den SBW-Förderverein als wertvollen Partner, der maßgeblich zur Förderung von insbesondere jungen Piloten beitrage.
Klimaschutz im Vordergrund
Der BWLV-Präsident machte deutlich, dass der BWLV mit der Neuanschaffung als Fachverband und Interessenvertreter des Luftsports im Land einen wichtigen Beitrag zum klimafreundlichen Fliegen leisten wolle.
Auch beim Schallschutz bringe die Velis Electro große Vorteile mit sich: Mit diesem Flugzeug sei ein fast geräuschloser Platzrundenbetrieb möglich, so Laur: „Dies ist ebenfalls ein Schritt in die richtige Richtung“. Ergänzt werde das Konzept durch die Installation von Solarpaneelen auf den Hallendächern der Hahnweide: „Somit ist unser Ansatz hier tatsächlich rundherum nachhaltig“.
Die Transformation hin zu mehr Klimaschutz stelle den Luftsport aber auch vor große Herausforderungen: Alternative Antriebe seien in der Luftfahrt deutlich schwieriger zu realisieren als am Boden und überdies mit hohen Kosten verbunden. Laur appellierte an die Politik, den Luftsport hier zu unterstützen: „Es ist evident und unerlässlich, auch im Bereich der Kleinluftfahrt und des Luftsportes staatliche Hilfen zu gewähren“ Dies schon allein deshalb, weil die Fliegerei immer wieder auch Vorreiter für bedeutende technische Entwicklungen in der gewerblichen Luftfahrt und darüber hinaus sei, so Laur.
Jubiläum der Hellmut Niethammer Stiftung
In seiner Funktion als Stiftungsratsvorsitzender ging Domenico Gehling auf die Entstehungsgeschichte und die Unterstützungsleistungen der Hellmut Niethammer Stiftung ein. Diese stellt eine bedeutende Stiftung in Baden-Württemberg dar und ist im deutschen Luftsport einzigartig. Die Stiftung wurde 1994 vom passionierten Motorflug-Piloten und Luftsport-Förderer Hellmut Niethammer in Stuttgart gegründet.
Hellmut Niethammer verstarb 2008, in den Folgejahren erhielt die Stiftung Mittel aus mehreren Zustiftungen, darunter 2020 durch den Neffen des Stifters, Dr. Michael Bojadiew, der die Stiftung zu seiner Erbin bestimmte.
Zu den wichtigsten Unterstützungsleistungen der Hellmut Niethammer Stiftung gehört unter anderem die Beschaffung von Flugzeugen – darunter die nun vorgestellte Elektro-Velis, aber zum Beispiel auch die auf dem Klippeneck stationierte DG 1000, mit der Stefan Zistler im weiteren Verlauf der Veranstaltung eine beeindruckende Segelkunstflug-Vorführung zeigte.
Hinzu kommt die Sicherung der technischen Ausbildung, die Unterstützung der Prüforganisation des Verbandes, die Förderung der Jugend im BWLV sowie die Qualifizierung und Leistungsentwicklung des fliegerischen Breiten- und Spitzensports.
Gehling nannte als beispielhaftes Projekt der Stiftung überdies die Vergabe einer Sonderförderung 2022, bei der die LSG Rheinstetten in Anerkennung ihrer besonderen Verdienste um einen klimaneutralen Flugbetrieb 15.000 Euro erhalten habe, sowie die Vergabe des Innovationspreises. Dieser war 2023 mit einem Preisgeld von 15.000 Euro ausgelobt und unter drei Preisträgern (Badisch-Pfälzischer Flugsportverein, Akaflieg Freiburg und Akaflieg Stuttgart) aufgeteilt worden.
Zum Jubiläum schreibt die Stiftung in diesem Jahr den Innovationspreis 2024 mit bis zu 30.000 Euro aus, die Bewerbungsfrist läuft noch bis Ende Juni. Gehling forderte alle BWLV-Vereine auf, ihre innovativen Konzepte einzureichen.
Die Hellmut Niethammer Stiftung habe den Luftsport im BWLV und in Baden-Württemberg in den 30 Jahren ihres Bestehens entscheidend unterstützt, zog Gehling als Fazit. Er freue sich, dass der Festtag auf der Hahnweide ein guter Beleg für diesen Umstand sei. Alle Infos zur Stiftung, ihrer Geschichte und dem Innovationspreis sind hier nachzulesen.
Jubiläum des SBW-Fördervereins
In Vertretung des SBW-Fördervereins sprach dessen Erster Vorsitzender Dr. Albert Kießling und warf einen Blick zurück in die Gründungszeit 1994. Der SBW-Förderverein habe sich damals wie heute zum Ziel gesetzt, den Streckensegelflug ideell und finanziell zu fördern, insbesondere den Nachwuchs.
Hierzu stellt der Förderverein seine derzeit vier Flugzeuge für Wettbewerbe, aber auch zur Nutzung durch talentierte junge Piloten zur Verfügung. Kießling betonte, dass der Förderverein im Laufe der Jahre stetig gewachsen sei – von anfänglich 35 Mitgliedern habe man sich mittlerweile auf eine Mitgliederzahl von ca. 850 eingependelt.
Bemerkenswert sei, dass nur die wenigsten Mitglieder die Leistungen des Fördervereins selbst in Anspruch nehmen, dafür aber umso mehr die Jugend förderten. In den 30 Jahren seines Bestehens habe der SBW-Förderverein somit sehr viele junge Pilotinnen und Piloten entscheidend unterstützt.
„Fliegerstadt“ Kirchheim
Sozusagen als „Hausherr“ sprach Dr. Pascal Bader, Oberbürgermeister von Kirchheim/Teck, zu den Gästen. Er hob die gute Partnerschaft zwischen der Stadt und der Fliegergemeinde hervor. „Die Flieger sind wie eine große Familie, das ist sehr schön zu erleben“, so Bader. Er sei stolz darauf, die Hahnweide als Standort des BWLV, der ansässigen Vereine und der Firma Schempp-Hirth, aber auch als Austragungsort vieler Wettbewerbe vor der Haustüre zu haben. Darüber hinaus habe er den BWLV und die Vereine stets als sehr faire und offene Partner erlebt: „Man kommt aktiv auf uns zu und sucht von sich aus Lösungen, wenn es Probleme gibt – das funktioniert wunderbar.“ Die Anschaffung der Elektro-Velis auf der Hahnweide nannte Bader einen wichtigen Schritt für den Schallschutz der Umlandgemeinden: „Das begrüßen wir in den anliegenden Kommunen sehr.“
Innovationsmotor Luftsport
MdL Andreas Schwarz zeigte sich begeistert von der Neuanschaffung des Elektro-Flugzeugs: „Innovation und Umweltschutz, das geht hier Hand in Hand.“ So könne man den ökologischen Fußabdruck verringern, ohne auf Spaß und Abenteuer zu verzichten.
Er nannte dies beispielhaft für die hohe technische Kompetenz der Branche: „Der Flugsport ist nicht nur eine faszinierende Freizeitbeschäftigung, sondern auch ein bedeutender Innovationsmotor.“
Baden-Württemberg sei das Land der Tüftler und Denker – dies sei angesichts der Herausforderungen durch die Klimakrise auch nötig, um gute Lösungen zu finden. Hier sei der Luftsport immer Ideengeber gewesen Er forderte die Besucher auf: „Wir haben die Fähigkeit, weltweit führend in diesem Bereich zu sein. Also bringen Sie Ihre Errungenschaften an den Markt!“ Die Anschaffung der Velis für die Motorflugschule Hahnweide nannte Schwarz „einen großen Erfolg für den Luftfahrtstandort Deutschland“.
Darüber hinaus lobte er den BWLV und die Luftsportvereine für die vorbildlichen ehrenamtlichen Leistungen, insbesondere bei der Ausbildung der Jugend.
„Dieses Flugzeug ist die Zukunft“
Bevor Verkehrsminister Winfried Hermann die Enthüllung des Taufnamens an der Elektro-Velis vornahm, ging er in seiner Ansprache auf die Errungenschaften des Luftsports ein. „Ich nehme Sie wahr als sehr innovativen Landesverband“, bescheinigte der Minister dem BWLV - “Dieses Flugzeug ist die Zukunft”. Es sei sehr erfreulich, dass auch in der Fliegerei Fortschritte hin zu mehr Klimaschutz gemacht werden. Den Luftsport nannte er beispielhaft für diese Entwicklungen: „Man muss es machen wie die Piloten: Neues wagen und die Technik voranbringen.“
Dabei habe insbesondere der Luftsport – gerade der Segelflug, der stets die Kräfte von Wind und Sonne nutze – schon immer ein besonderes Bewusstsein für die Schönheit der Natur gehabt, die es zu schützen gelte. Der Großluftverkehr sei aufgefordert, es der „Kleinen Luftfahrt“ nachzutun – dies geschehe auch bereits, zum Beispiel am Flughafen Stuttgart, an dem ein Wasserstoffzentrum eingerichtet wurde, oder durch den Einsatz nachhaltiger Kraftstoffe (SAF), die weitere Reduzierungen von CO2 ermöglichen, berichtete Hermann. Auch er forderte dazu auf, Innovationen voranzutreiben und dadurch den Klimaschutz vorwärtszubringen.
Demonstration der Velis
Wie leise das neue Elektroflugzeug tatsächlich ist, wurde denn auch direkt vor dem Publikum demonstriert: Sowohl Verkehrsminister Hermann wie auch MdL Andreas Schwarz und OB Dr. Pascal Bader nahmen nacheinander Platz in der Velis und drehten mit Pilot Tobias Krüger, Leiter der BWLV-Motorflugschule Hahnweide, einige Runden über der Hahnweide.
Für die Zuschauer gab es jede Menge Flugzeuge zu sehen: Die Spanne reichte vom SG 38, den die BWLV-Luftsportjugend aufgebaut hatte, bis zum Duo Discus BW4 des SBW-Fördervereins. Flugvorführungen – darunter von Andreas Lutz im Elektro-Ventus – und etliche Rundflüge für die Besucher mit den Maschinen der Motorflugschule rundeten das Programm ab.
Musikalisch begleitet wurde die Veranstaltung von der Dixieland-Jazzband „Steinlach Stompers“, Moderator Jochen Frieß führte souverän durchs Programm.
Bei guter Bewirtung und vielen Gesprächen ließen die Besucher den gelungenen Festtag auf der Hahnweide ausklingen.
Text: Simone Bürkle
Fotos: Simone Bürkle, Thomas B. Jones (www.thomasjones.de)